
Die Fische in der nur mehr schwach durchleuchteten Dämmerzone der Ozeane, also in Tiefen von 200 bis 1.000 Meter, schrumpften in einer Zwischeneiszeit im mittleren Pleistozän (vor ca. 800.000 bis 700.000 Jahren) durch die Erwärmung des Ozeans deutlich: In vier Grad wärmerem Wasser reduzierten sie ihre Körpergröße um bis zu 35 Prozent, so eine aktuelle Studie unter der Leitung von Konstantina Agiadi vom Institut für Paläontologie der Universität Wien, die aktuell in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences" veröffentlicht wurde. Die Reduktion der Körpergröße dürfte sich auch negativ auf die Fähigkeit der Ozeane auswirken, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen.
Laternenfische und andere Fische, die in der Dämmerzone der Ozeane - dem so genannten Mesopelagial in 200 bis 1000 Meter Tiefe - leben, sorgen für die Stabilität des Ökosystems, reduzieren atmosphärisches Kohlendioxid und bilden ein riesiges Nahrungsreservoir. Dennoch ist über ihre Reaktion auf die Klimaerwärmung wenig bekannt. Die Geologin und Paläontologin Konstantina Agiadi von der Universität Wien leitete eine vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) finanzierte Studie, die dieser Frage anhand von Fossilien aus einer Zwischeneiszeit des mittleren Pleistozäns vor ca. 800.000 bis 700.000 Jahren nachging. Die Ergebnisse, die das internationale Team in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences" veröffentlichte, zeigen, dass die Fische in der Dämmerzone durch die Erwärmung der Ozeane insgesamt schrumpfen - und zwar um bis zu 35 Prozent.
Für Fische, die im lichtdurchfluteten Teil der Ozeane, also zumeist in den obersten 200 Metern leben, wurde in anderen Studien bis zum Jahr 2050 bereits ein Größenrückgang von 14 bis 24 Prozent gegenüber den frühen 2000er Jahren vorhergesagt. "Bisher gab es jedoch kaum Studien, die sich mit den Folgen der Klimaerwärmung auf die tieferen Meeresschichten, die Dämmeroder mesopelagische Zone, befassten", sagt Agiadi. Die Fische dieser Dämmerzone spielen jedoch eine zentrale Rolle: So Übersteigen alleine Laternenfische - eine Gruppe kleiner mesopelagischer Fische, die ihren Namen der Fähigkeit verdanken, ihr eigenes blassblaues, grünes oder gelbes Licht zu erzeugen und mehr als die Hälfte der Fischbiomasse in der Tiefsee ausmachen - die weltweiten jährlichen Fischereifänge um das Hundertfache.

Abb. 2: Die Sedimentgesteine entlang der Bucht von Lindos auf der Insel Rhodos (Griechenland) enthalten ein fossiles Archiv des Ökosystems und der klimatischen Bedingungen im östlichen Mittelmeer vor Hunderttausenden von Jahren. Daraus isolierten die Forscher*innen Otolithen, um die damalige Fischfauna zu rekonstruieren. © Konstantina Agiadi
Fisch-Otolithen als Schlüssel
Untersucht wurde die Entwicklung der Körpergröße anhand von Fossilien aus Eiszeiten und einer Zwischeneiszeit des mittleren Pleistozäns, und zwar genauer gesagt anhand der Otolithen: Gehörsteinchen aus dem Innenohr von Knochenfischen, die den Fischen die Wahrnehmung von Schall und Gleichgewicht ermöglichen. "Diese kleinen, etwa Millimeter bis wenige Zentimeter große Steinchen, bleiben für gewöhnlich im Sedimentgestein erhalten", erklärt Konstantina Agiadi vom Institut für Paläontologie. Die Morphologie der Otolithen ist spezifisch für jede Fischart, und ihre Größe spiegelt direkt die Größe des Fischindividuums wider, von dem sie stammen. "Dadurch können wir anhand der Gehörsteinchen gut vergangene Fischfaunen rekonstruieren", so Agiadi. In der vorliegenden Studie entnahmen die Forscher*innen Fisch-Otolithen aus außergewöhnlichen Sedimentformationen von der Insel Rhodos in der Ägäis, die auf die Zeit vor 800.000 bis 700.000 Jahren datiert werden, um Veränderungen in der Größe der Fische in zwei Eiszeiten und einer Zwischeneiszeit zu ermitteln. Bei der Untersuchung zeigte sich, dass die Fische der Zwischeneiszeit, als die globale Temperatur um 4 °C gestiegen war, um 35 Prozent kleiner waren.
Publikation in Proceedings B:

Abb. 3: Otolithen sind Gehörsteinchen in den Innenohren von Knochenfischen. Die Form der Otolithen ist spezifisch für jede Fischart, und ihre Größe spiegelt direkt die Größe des Fisches wider, von dem sie stammen. © Konstantina Agiadi
DOI: 10.1098/rspb.2022.1994
Abbildungen:
Abb. 2: Die Sedimentgesteine entlang der Bucht von Lindos auf der Insel Rhodos (Griechenland) enthalten ein fossiles Archiv des Ökosystems und der klimatischen Bedingungen im östlichen Mittelmeer vor Hunderttausenden von Jahren. Daraus isolierten die Forscher*innen Otolithen, um die damalige Fischfauna zu rekonstruieren. © Konstantina Agiadi Abb. 3: Otolithen sind Gehörsteinchen in den Innenohren von Knochenfischen. Die Form der Otolithen ist spezifisch für jede Fischart, und ihre Größe spiegelt direkt die Größe des Fisches wider, von dem sie stammen. © Konstantina Agiadi