
Handschriften sind so individuell wie Menschen. Dennoch sind Computer heute in der Lage, handschriftliche Texte in unterschiedlichsten Sprachen automatisch zu erkennen. Die von der Universität Innsbruck mitentwickelte Software-Plattform Transkribus macht diese Technologie der Wissenschaftsgemeinde, interessierten Archiven und der breiten öffentlichkeit zugänglich. Über 90.000 Nutzerinnen und Nutzer aus aller Welt verwenden die Plattform bereits, um handschriftliche Dokumente lesbar und durchsuchbar zu machen. Eine immer größer werdende Gruppe interessiert sich für ihre Familiengeschichte und begibt sich in Kirchenbüchern, Verträgen oder in historischen Dokumenten auf die Suche nach ihren Vorfahren. "Die händische Suche in diesen Dokumenten kann eine sehr mühsame Angelegenheit sein. Durch unsere Technologie wird die Erforschung der Familiengeschichte nun wesentlich erleichtert", sagt Günter Mühlberger von der Arbeitsgruppe Digitalisierung/Archivierung an der Universität Innsbruck und Verwaltungsratsvorsitzender der europäischen Genossenschaft READ-COOP.

Große Bestände rasch durchsuchbar
In Archiven und Bibliotheken lagern historische Dokumente von unschätzbarem Wert. Diese Dokumente nehmen viel Platz ein. So füllen zum Beispiel die Dokumente im Staatsarchiv in Wien 350 Regalkilometer. Der Großteil dieser Dokumente liegt nur handschriftlich vor und ist für viele Benutzer nicht mehr lesbar, da sie in Kurrentschrift verfasst sind. "Hier hilft die Transkribus-Plattform, auf der diese Handschrift automatisiert erkannt und damit für alle lesbar gemacht wird", sagt Günter Mühlberger. Die Dokumente werden dadurch auch durchsuchbar. Das erleichtert die Recherche in historischen Beständen enorm, weil auf diese Weise Hunderte oder Tausende Dokumente gleichzeitig nach Familiennamen oder anderen Begriffen durchstöbert werden können.Kurrent, Arabisch und Chinesisch lesen
Transkribus arbeitet mit neuronalen Netzen. Diese maschinenlernenden Methoden haben den großen Vorteil, dass sie nicht mehr speziell für eine bestimmte Handschrift programmiert werden müssen. "Die Benutzerinnen und Benutzer bringen der Maschine bei, die Schrift zu lesen", sagt Günter Mühlberger. "Und eine Maschine ermüdet nicht, das heißt, sie kann auch Tausende, Hundertausende oder Millionen von Seiten automatisiert verarbeiten. Das haben wir beispielsweise für das finnische Nationalarchiv gemacht, bei dem nunmehr über 2 Millionen handschriftliche Dokumente aus dem 19.Jahrhundert für alle durchsuchbar sind." Die verwendete Technologie ist völlig unabhängig von der Sprache und der eigentlichen Schriftart. Transkribus erkennt nicht nur Kurrentschrift oder auch moderne Handschriften, sondern auch mittelalterliche Schriften, aber auch Hebräisch, Arabisch oder indische Schriften. "Und derzeit führen wir gerade Experimente für Chinesisch durch, für altes Chinesisch", freut sich Mühlberger.