Die Permafrost-Gebiete in den Tundren der Nordhalbkugel speichern enorme Mengen an Kohlenstoff - etwa das Doppelte der Atmosphäre. Welche Auswirkungen ihr Tauen aufgrund der Folgen der Klimakrise mit sich bringt, ist daher für Klimamodelle von besonders großer Bedeutung. Wie stark die Effekte aber tatsächlich sind, ist für die Forschung immer noch schwer zu beurteilen. Hier setzt die vorliegende Studie an: Erstmals wurden Daten aus verschiedensten Erwärmungsexperimenten an zahlreichen Permafrost-Standorten im Hinblick auf ihre CO2-Bilanz synthetisiert. "Tauen die Böden auf, verstärkt sich die Atmung dieses Ökosystems, da Mikroorganismen beginnen, das Material zu zersetzen. Dabei entstehen Treibhausgase wie Kohlendioxid, aber auch Methan und Lachgas. Dieser Effekt führt zu einer Art Teufelskreis, da die Treibhausgase die Erderwärmung antreiben und diese wiederum die Permafrostböden vermehrt belasten", erklärt Christina Biasi von der Forschungsgruppe Funktionelle Ökologie am Institut für Ökologie der Uni Innsbruck. Die Forscherin beschäftigt sich seit Jahren mit der Entwicklung von Permafrostböden.
Weltweite Messungen
Ein Team von über 70 Forscher:innen nutzte sogenannte Open-Top-Kammern (OTCs), um die Auswirkungen der Erwärmung an 28 Tundra-Standorten auf der ganzen Welt über Jahre hinweg experimentell zu simulieren. OTCs dienen im Prinzip als Mini-Gewächshäuser, die den Wind abund die Wärme einfangen, um eine lokale Erwärmung zu simulieren. Christina Biasi führte diese Untersuchungen über einen Zeitraum von sechs Jahren in der russischen Arktis Sibiriens durch und steuerte diese Messdaten zur nun in Nature erschienenen Studie bei. "Meine Ergebnisse und auch jene meiner Kolleginnen und Kollegen zeigen sehr starke Ausgasungsraten, und zwar noch stärkere, als wir bisher in Modellen angenommen haben", so Biasi. Die Erwärmungsexperimente belegen die erhöhte Atmung des Ökosystems während der Vegetationsperiode um 30 Prozent aufgrund der erhöhten Stoffwechselaktivität in Boden und Pflanzen. Diese Veränderungen hielten noch mindestens 25 Jahre nach Beginn der experimentellen Erwärmung an, was in früheren Studien nicht festgestellt worden war.Effekte vier Mal stärker als angenommen
"Wir wussten aus früheren Studien, dass wir bei einer Erwärmung wahrscheinlich einen Anstieg der Ökosystem-Atmung feststellen würden, aber unsere Untersuchungen zeigten einen sogar signifikant höheren Anstieg - nahezu vier Mal so hoch wie zuvor geschätzt mit Variationen je nach Zeit und Ort", sagt Sybryn Maes von der Universität UmeÃ¥, die Hauptautorin der Studie. Der Anstieg der Ökosystem-Atmung hing auch von den örtlichen Bodenbedingungen ab, wie etwa dem Stickstoffgehalt oder dem pH-Wert. In einigen Regionen wird demzufolge mehr Kohlenstoff freigesetzt als in anderen. Einige Gebiete, insbesondere Teile Sibiriens und Kanadas, werden empfindlicher auf die Erwärmung reagieren. "Zu verstehen, wie sich Ökosysteme als Reaktion auf den Klimawandel verändern und wie sich diese Veränderungen auf das Klima auswirken, ist von entscheidender Bedeutung, um ein genaues Bild davon zu erhalten, wie sich unsere Welt verändern wird. Permafrost-Böden gelten oft als tickende Zeitbomben, dennoch ist es noch nicht zu spät: Wir haben die Kipppunkte in diesen Systemen noch nicht erreicht, und jedes Zehntelgrad weniger Erwärmung dämmt die Auswirkungen auf unser Klima ein", ist Christina Biasi Überzeugt.Publikation: Maes, S.L., Dietrich, J., Midolo, G. et al. Environmental drivers of increased ecosystem respiration in a warming tundra. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586’024 -07274-7
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