Mangelnder Dialog beim Thema Integration

Ein Team unter der Leitung von Maren Borkert, Soziologin an der Universität Wien, hat die Rolle von ExpertInnen-Wissen bei der Gestaltung der Integrationspolitik in Österreich erforscht - mit dem Ergebnis: Die Wissenschaft ist Stichwortgeber oder Legitimationsgrundlage, es gibt aber wenig Austausch mit Politik und Gesellschaft. Um diesen Befund zu ändern, findet am 18. Oktober ein Workshop statt; es werden die Ergebnisse der DIAMINT-Studie präsentiert und darüber hinaus treten VertreterInnen aus Politik, Wissenschaft, NGOs und Medien in Dialog.

"Die Anzahl der Medien in Österreich, die über Integration und Migration berichten, steigt, und Integration ist seit den 1990er Jahren verstärkt zu einem medialen Thema geworden. Trotzdem findet wenig wissenschaftlich-gesellschaftlicher Dialog - so wie etwa im Fall der Pisa-Studie - statt. Die Mehrheit der Artikel betont rechtlich-formale Aspekte, und die Frage der Einbürgerung wurde etwa bis Ende 2012 ausgeklammert. Da Einbürgerung als Endstufe des Integrationsprozesses verstanden wird, wird sie öffentlich nicht als Teil der Integrationspolitik diskutiert", so Maren Borkert, Leiterin der DIAMINT-Studie in Österreich und Soziologin am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien. Ein Ergebnis der Studie ist, dass viele ForscherInnen und NGOs, die sich dem Thema Integration in Österreich widmen, enttäuscht sind, dass ihr Wissen nur selten eine breite Öffentlichkeit erreicht und zu praktischem Handeln führt.

Zentrale Dialogstrukturen berücksichtigen Wissenschaft zu wenig
Hauptakteur bei der Gestaltung der Integrationsdialoge in Österreich ist das Innenministerium. Ihm obliegt die Integration der rund 1,6 Mio. Menschen (18,9 Prozent) in Österreich, die laut Statistik Austria einen "Migrationshintergrund" haben. Unter seiner Führung wurden 2010 der Expertenrat für Integration als wissenschaftliches Beratungsgremium als auch der Integrationsbeirat, in dem Repräsentanten von Bund, Ländern, Gemeindeund Städtebund, Sozialpartnern und Industriellenvereinigung sowie einige wenige NGOs vertreten sind, gegründet.

Die DIAMINT-Studie zeigt auf, dass wichtige gesellschaftliche Akteure und Wissensträger - z.B. NGOs wie ZARA und Asylkoordination - in den offiziellen Dialogstrukturen wenig Berücksichtigung finden. Auch traditionelle informelle Dialogforen, wie sie zwischen Diakonie und islamischen Gemeinden historisch bestehen, werden wenig beachtet. "Integration ist eine Frage der Gesellschaft. Ein gesamtgesellschaftlichen Dialog, in dem etablierte Institutionen mit fachlicher Expertise und Erfahrung einbezogen werden, und unabhängige Forschung wirken sich positiv aufs Integrationsklima aus wie z.B. in Deutschland", so Maren Borkert.

Einbürgerung: Monopolthema der Politik
Auf dem Gebiet der Einbürgerung und Staatsbürgerschaft hat sich vor allem das Innenministerium als Wissensproduzent und Wissensautorität etabliert. "Auf den nüchternen Befund etwa, dass Österreich laut Migration Integration Policy Index (MIPEX) eines der teuersten Einbürgerungsverfahren der EU hat, reagierte das Innenministerium knapp, dass dies eine Bestätigung der eigenen restriktiven Politik darstellt", erklärt Maren Borkert. "Den Erkenntnissen aus anderen renommierten Studien zur Einbürgerung wie NATAC, INTEC, OECD und EUDO Citizenship erging es ähnlich."

Schule und Religion: ExpertInnenwissen in der Integrationsdebatte gefragt bis toleriert
Die aktivste Rolle spielt Wissenschaft laut DIAMINT-Studie bei der schulischen Integration. Bei der Aufnahme von Kindern mit "Migrationshintergrund" in das österreichische Schulsystem sind praktisches Wissen zum Lehren von Deutsch als Zweitsprache und Schlüsselfiguren in der Schnittmenge von Wissenschaft, Politik und Praxis gefragt. Dies trotz zahlreicher Stimmen, die sich gegen Integration als gesamtschulische Herausforderung und interkulturelles Lernen stark machen. Eine weitere starke Nachfrage nach "Wissen" findet sich beim Umgang mit religiöser Vielfalt - ein Thema, das in Österreich ausschließlich als Islam-Frage behandelt wird. Das "Wissen zum Islam" stammt vielfach aus Medien und wird meist ernster genommen als wissenschaftliche Forschung. Gut recherchierte Artikel zu diesem Thema sind in den Printmedien rar.

Das DIAMINT-Forschungsprojekt (September 2011 bis Oktober 2013) wird in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Großbritannien und Österreich sowie auf EU-Ebene durchgeführt. Die europaweite Vergleichsstudie wird von der VolkswagenStiftung gefördert: www.diamint.eu

Workshop mit Wissenschaft, Politik, NGOs und Medien
Zeit:
Freitag, 18. Oktober 2013, 10.00 Uhr
Ort: Landtmann’s Bel-Etage, Oppolzergasse 6, 1010 Wien

Wissenschaftlicher
Dr. Maren Borkert
Institut für Internationale Entwicklung
Universität Wien
1090 Wien, Sensengasse 3/2/2
T +43-1-4277-239 05
maren.borkert @ univie.ac.at